Restselbstbild

Spiegel

  

In dem Behinderten-Heim, in dem ich gearbeitet habe, hat mal eine Mitarbeiterin gesagt:

Habt ihr bemerkt, immer wenn wir das jährliche Betreutengespräch hatten, wirkt das Besprochene schon am nächsten Tag, ohne dass wir Zeit gehabt hätten es auch umzusetzen.

Im Betreutengespräch kommen alle zusammen, die mit diesen Menschen zusammenarbeiten. Die Gruppenbetreuer, die Werkstattleute, die Therapeuten, der Heimleiter und der Arzt. Diese Gespräche finden abends statt, wenn alle schon im Bett. Der Betroffene ist nicht dabei.

Das ist gerade das schöne. Denn er ist ja trotzdem da, aber nur im Spiegel der Gemeinschaft. Genau aus diesem Spiegel erwächst dann die Kraft, die ihn am Morgen bereits erfüllt.

Und wir haben angefangen die Sache ernst zu nehmen, und sassen im kleinen Kreis und liessen einen Bewohner Spiegeln. Dies indem jeder die Augen schloss, und wartete was ihm in den Sinn kam zu diesem Menschen. Keine Theorien, nein, nur Bilder waren da gefragt.

Anschliessend wurde es zusammengetragen, und einfach so stehen gelassen, Solchermassen dann mitgenommen in die tägliche Arbeit. Die Bilder wirkten wie Schlüssel zu dieser Person.

Oder noch viel schöner gesagt.

Die Betroffenen erkannten sich in den Bilderspiegeln, und lachten.

Und sie begannen zu strahlen wie nie zuvor.

Denn etwas ist ganz besonders an den Sternen, wie sie wirklich sind. Sie alle erleuchten andere. Selber strahlen sie nur, weil sie den andern von ihrem schönen Licht erzählen. Sie sind uns viel näher, als wir denken.

Ein Kind frage einmal:
Wo bin ich denn nun, wenn ich den Stern anschaue. Hier bei mir, oder oben bei Ihm? Eine wirklich sehr interessante Frage.

Copyright 2003 by Michael Mayer