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Die zu stillen

 

Wir waren vor drei Jahren, auf einer vier Tage langen Tagung in der Seiner Schule von Basel, zum Thema Regenbogen Kinder. Henning Köhler wie ein Motorrad Angel, Kühlewind wie ein alter Weiser.

Sie wechselten sich ab und füllten die Tage dicht.

Einen Morgen mussten wir schwänzen, um zu zeichnen eine kleine Altarfigur im Basler Münster. Sie trägt ein Ecken des Taufbeckens. Dieser Figur war das Leiden des Tragens eingemeisselt, im Gesichtsausdruck und der Haltung selber.

Etwas abzuzeichnen war schon immer unser bestes Mittel, um uns wieder zu sammeln. Besonders im Urlaub. Erst wieder zu merken, dass wir doch eigentlich frei waren. Aber nur wenn wir uns entschieden. Sonst knipsten wir Film um Film und konnten gar nicht sagen, wo wir denn nun sind. In der Kirche drin, wusste man es wieder. Draussen  war es zwei und dreissig Grad am Schatten. So war es hier schon fast kühl.

Die Tagung zu beschreiben geht nur in einem Satz. Sie hat uns ganz, ganz tief berührt.

Doch neben goldenen Strahlen blieb auch ein Stachel Zorn.

Die ganzen vier Tage versprachen sie, dann auch noch zu erzählen von denen, die nicht so wild trampeln, dass man sie nun wirklich nicht übersehen kann. Nein. Sie wollen auch ernsthaft berichten von denen, die zu still sind.

Die, die implodieren und dann hört man gar nichts mehr. Das wäre doch wirklich wichtig gewesen, denn von denen spricht auch sonst fast keiner - Wieso auch. Sind Doch lieb, machen nichts kaputt. Gut sie magern sich manchmal zu Tode, oder schneiden sich in die Finger.

Aber die Allermeisten tun nicht mal das. Sie wirken seltsam abwesend, und haben eine lange Leitung. Aber in der Realschule hat es ja genug Platz. Die sind auch froh, um paar solche, neben den ganzen Schlägerbanden.

Also auch dort wird nie ein Wort verloren über die, die sind zu still.

Und fragt man Einen selber. So sagte er meist, dass es das sei was er will. Leider auch an der Tagung war die Zeit dann um, als es zu den Stillen ging.

Die Schmerzen dieser Menschen sind gross. Viel zu gross um darüber zu schweigen, denn sie sind die Geschwister von Zappel Philippen und Haspel Lisen. Ihre Kraft geht aber nach innen und zerstört sie selber. Sie würden es der Welt nie antun wollen es ausschreien. Nur sie wissen wirklich wie weh dieser Schrei täte. Und es gibt solche, die sind im Sprechen verstummt, mussten als Strafen hinten sitzen. Andere die machen nichts mehr weil sie das Sieges T-Shirt nicht bekamen, nach dem Schwimmen. Und das nur weil ein Vater in der Jury sass, und den anderen Vater, der, der eigentliche Siegerin hasste, wie die Pest.

Die dritten zeigen keine Gefühle mehr und wenn, dann nur noch falsche.

Weil Vater oder Mutter sie als klein mit Gefühlsumbrüchen immer wieder schlugen. Ja es gibt auch solche denen passieren alle drei.

Eine etwas düstere Geschichte, wenn man nicht wüsste dass so eine Nuss auch noch im hohen Alter angebohrt werden kann.

Was dann zum Vorschein kommt, ist noch fast so rein wie Himmelskraft.

Copyright 2003 by Michael Mayer