Restselbstbild

Drogenarbeit

 

Und bei Sucht gibt es ein ganz besonderes Problem.

Bei anderen Problemen darf man ja nie eine Person als Person angreifen, sondern nur die Handlungen, die diese Person gemacht hat.

Ist jetzt jemand süchtig und geht seiner Sucht nach, handelt er aber nicht, so wird er von seinem Schmerz zur Handlung genötigt.

Obwohl der Schmerz allen gehört, gehört er in dem Fall dem Süchtigen, und zwar nicht als Besitz, sondern als Teil. Wäre es Besitz könnte er frei verfügen, und es wäre noch Genuss.

Da es aber ein Teil ist, ist er abhängig.

Greifen wir ihn jetzt wegen seiner Sucht an, kritisieren wir nicht eine Handlungsweise von ihm, sondern stellen den ganzen Menschen in Frage. Denn, der Teil Sucht, ist eng verwoben mit dem ganzen Menschen.

Einen Menschen, als Person in Frage zu stellen, ist aber ein Pädagogischer Unsinn.

Das erste, was man bei einem süchtigen Menschen machen muss, ist ihm danken! Für das tragen eines Schmerzes, der nicht nur seiner ist.

Danach müsste man ihm die Möglichkeit geben diese schwere Aufgabe abzugeben, und ihm zeigen, dass andere daran weiter arbeiten.

So lässt man den Menschen in seiner Intentigrität frei. Er hat das erste Mal, zumindest einen Weg aus der Sucht, vor sich.

Ob er den Weg dann geht, und ob er kurz oder lang sein wird, muss ganz ihm selber überlassen werden, der allerschwierigste Teil der Drogenarbeit!!

Denn einen Teil seines Wesens kann man nicht einfach von aussen wegoperieren lassen, wie die Mandeln, oder so. Da es ein Teil von einem selbst ist, muss man selber sich von diesem Aspekt lösen. Nur so kann es gehen, denn Sucht ist eine Ich-Frage. Und Ichs können nicht gezwungen werden. Nur vergewaltigen kann man sie, durch falsche Therapie.

Dies alleine wäre schon Grund genug, die heutige Drogenpolitik etwas zu überdenken.

Weis man aber was Schmerz wirklich ist, gäbe es da noch einen zweiten. 

Denn Schmerz ist nichts anderes als sich bewusst werden.

Jedes sich bewusst werden, ist schmerzhaft. Das sieht man besonders schön am Morgen, beim Aufstehen. Da ist das sich bewusst werden auch sehr schmerzhaft, bis zum ersten Kaffee.

Ist nun einer süchtig, wird er sich einer Sache bewusst, die so gross ist, dass er sie nicht in einem Tag bewältigen kann und mit Rausch verschafft er sich Pausen, im bewusst werden.

Wenn der Prozess wirklich sehr gross ist, kann der Rausch durchaus Sinn machen.

Also nochmals Vorsicht und Tiefensicht beim Therapieren, bitte!

 

Copyright 2003 by Michael Mayer