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Eine seeltsame  Begegnung

 

Jetzt muss ich doch einmal anfangen zu erzählen, was ich da von den Geisteswissenschaftlern gelernt habe.

Anfangs dachte ich, dass sei ein Haufen von Spinnern. Kam einer von ihnen und behandelte ein Thema, war anschliessend mit Sicherheit alles unklar. Da wurden Pharaonen vermischt mit antiautoritärer Erziehung, und in rostenden Apfel das Schimmern von Erzengeln beobachtet.

Doch viel schlimmer war, sie wussten vieles mit absoluter Sicherheit. Es war zum Beispiel absolut klar, dass Michael genau 1897 die Regierung über die Zeit übernahm. Das sei alles geschrieben in einem grossen Buch. Man müsse dazu nur die Augen schliessen einschlafen und dabei wach bleiben, dann könne man in diesem Buch lesen  und dort steht dann  zum Beispiel 1897 und nicht1896.

Gutmütig wie ich war hab ich mir dann doch noch dies und das angehört, was sie da so erzählten.

Doch auch wenn sich diese Leute in vielem sicher waren, war das Chaos jedes Mal perfekt, wenn sie anfingen dieses Wissen irgendwie im Leben umzusetzen.

Dass die Leute am Morgen singen und irgendwelche Wahrsprüche sagen kann man ja noch als kulturelle Eigenheit akzeptieren. Doch spätestens wenn sie einen ganzen Acker Karotten auf dem Feld erfrieren lassen weil dieses Jahr einfach kein Wurzeltag ohne Regen war, beginnt man zu zweifeln. Der Boden habe dieses Jahr die Karotten wohl selber gebraucht meinte der Bauer nur lakonisch.

Diese ganzen seltsamen Geschichten hatten die meisten von einem gewissen Doktor, der ausgerechnet auch noch Steiner hiess, obwohl er eigentlich nur über Luft schrieb, so schien es mir wenigstens.

Aber wie es bei mir meistens ist; beginnt mich einmal etwas abzustossen, beginnen mich die Widersprüche erst richtig anzuziehen.

Ich konnte es nicht lassen mir mal zwei drei Bücher dieses Doktors unter die Arme zu klemmen. Das fiel mir auch nicht schwer, denn der Doktor hatte ganze Bücherregale voll geschrieben und die Auswahl war riesen gross.

Jetzt müsste ich eigentlich vier Jahre warten mit diesem Text bevor ich weitererzähle, denn vier Jahre geschah nichts weiter als das ich irgendwie Freude bekam an den obskuren Geschichten und eine nach der andern lass. Sie waren auch alle in einander verwoben, kannte man die eine Geschichte gab sie einem ein Hinweis in eine andere. Schon alleine deswegen war das Steinerbücherregal faszinierend. Ein derart komplex verknüpfter Fortsetzungsroman war mir bis anhin nie begegnet. Ausser vielleicht bei Enid Blyton und den „Fünf Freunden“ ein Roman mit 200 Folgen. Auch bei ihr war ich damals total begeistert und gefesselt.

Während mich „die fünf Freunde“ auf meine Jugend vorbereiteten, schien mich auch Steiners Folge irgendwie zu rüsten. Zu mindenstens schliff sie mein Vorstellungsvermögen, denn das war gefordert, wenn man sich beispielsweise Krüge vorstellen sollte die sich füllen beim leeren!

Ein anderer Widerspruch  fesselte mich zusätzlich. Bei all den wundersamen Geschichten, die dieser Mann zu erzählen wusste, war er, so erzählt man wenigstens, so abgrundtief ernst. Seine Augen hatten etwas von Dornen. Vielleicht habe ich schon jetzt die meisten Leser/innen so erschreckt, dass sie gar nicht mehr hören wollen wie es weiter ging , oder aber sie können sich in dieses leichte Gruseln einfühlen, dass mich befiel bei meiner ersten Begegnung mit diesen Geschichten. Es war gerade dieses Gefühl, dass mich nicht mehr losliess und mich seltsam an einen Traum aus meiner Jugend erinnerte.

Es war da ein blaues Licht.

Nur wenige gingen hin und was sie berichteten war nicht nur so schön.

 

Copyright 2003 by Michael Mayer