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Die Schakalinn und der Wolf

 

Diese Geschichte ist mir nicht wie die anderen in meine Gedanken geflogen, sondern ich habe sie irgendwo mal gehört. Ich konnte sie nicht vergessen und nahm sie mit.

Vor langer Zeit, da verliebte sich eine Schakalinn in einen Wolf. Das war sehr aussergewöhnlich, denn die Wölfe lebten in den Bergen, die Schakale liebten die Prärie.

Doch eben, diese Schakalinn erhaschte den süssen Duft eines Wolfes aus dem fernen Wald. Sie begann aus  der Prärie aufzusteigen, den Berg hinauf, immer höher, immer dem süssen Duft nach.

Der Wolf seinerseits war ein Einzelgänger, ohne Rudel und ohne Frau. Er liebte es, durch die Täler und Berge zu schweifen, und kannte jeden Winkel.

Doch diesen Morgen begegnete ihm ein süsssaurer Duft den er noch nicht kannte.

Und wie es vielleicht nicht geplant war, zogen sie zusammen weiter. Bald waren sie umgeben von vielen Kindern, und noch viel mehr Kindeskinder. Ein aussergewöhnlicher Stamm war geboren, kein Tier glich dem anderen. Die einen waren mehr Wolf, wild und mit dickem Fell. Die andern waren mehr Schakal, mit dünnen Beinen und schlauen Augen. Auch das tiefe Schwarz der Wölfe, und das helle der Schakale, vermischte sich in immer neuer Form. Ja es gab sogar gefleckte und gepunktete.

Doch  wo wollten sie jetzt hin? In den Bergen waren sie nicht gern gesehen, und aus der Prärie gar verstossen.

So zogen sie weg zu den Höhlen der Menschen.

Diese hatten so was noch nie gesehen und nannten sie Hunde. Sie wussten nicht, dass sie teils Wolf, teils Schakal waren, denn ihre zwei Urgrosseltern waren schon längst gestorben.

Bis in diese Zeit kann man sehen, wem der Hund mehr gleicht. Der alten Schakalinn, oder dem alten Wolf.

Man sagt, die Hunde erzählen sich noch heute die Geschichte, wie es damals war. Beim Schnuppern auf der Wiese.

Copyright 2003 by Michael Mayer