Restselbstbild

Gewohnt

 

Ich stell mir eine Eisenbahnschiene vor, die sich schliesst im Kreise. Vielleicht ein Kilometer lang sie würde durch die Quartiere der Stadt führen und einen Zug kreisen lassen, dass man den hintersten Wagen mit dem vordersten verkoppeln kann. Solche Geleise gibt es in Ansätzen noch auf ehemaligen Industriegeländen. Jeder Wagen von diesem sich ins Schlusslicht beissendem Zuge ist ein Zuhause. Alle zehn Minuten fährt der Zug so seine zwanzig Meter. Geht man schlafen im Auenbrook erwacht man wieder in Lichtershausen, verschlafen vielleicht erst am Stadthaustor. Kommt man abends wieder nach Hause, muss man sein Haus erst suchen, Denn einen Fahrplan gibt es keinen. Und der Zug fährt nach eigner Laune. Von findigen Tüftlerinnen programmiert in Einbezug von Mond und Tagen. In dieser Stadt lebten so zwei verschiedene Völkchen, die im Kreise fahrenden und die rundherum und dazwischen wohnenden. Am Bahndamm an wächst ein Garten mit Früchten und Gemüse, dazu viele kleine Stühle für Sesshafte wie für Fahrende. Liesst ein im Kreise Fahrender Zeitung dort und geht zurück zur Stube, so ist sie bereits die der Nachbarin. Die eigene ist dann weiter zwei Wagen verrückt.

Einmal erzählte mir ein Punk:

“Säufst du viel und schmeisst zu viele Pilze, bau dir eine Hütte über einer drei Meter hohen Mauer, mit nur einer Türe. Egal wie viel du gesoffen, willst du in dein warmes Bett…Ja, dann klettre gut!“

Dieser Punk hat mich sehr beeindruckt. Er ersann den Sinn des Wohnens völlig neu!

Da sehe ich meine Kuckucksuhr und stell mir mein Haus vor in einem ihrer Gewichte. Im Sommer wenn die Sonne die Sonnenkollektoren erglimmen, hebt es mich mitsamt dem Tische dem Bad und der Veranda. Im Winter, wenn ich lange lese und viel warm und kuschelig heize, kurble ich mich wieder langsam runter und zehre vom Sommerlichen Hoch.

Oder aber ich lebe in einer Hütte unter meinem grossen Luftballon, und werfe Anker wo es mir gerade noch gefällt. Finde ich was Neues muss was Altes fort. Sonst werden wir immer schwerer und laufen noch auf Grund.

Doch die grösste aller Stuben hat zwei Tapeten. Eine Schwarze mit vielen Sternen und eine blaue noch dazu. Ich teil sie mit allen andern und fühl mich richtig wohl.

Im grossen Himmelszelt.

Ob in einer Stube , der Eisenbahn, der Kuckucksuhr oder unter meinem Luftballon.

 

 

Copyright 2003 by Michael Mayer